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Online Shopping Innenstadt

Innenstadt trotz Online Shopping Boom attraktiv gestalten
Immer lauter wird der Ruf, den Einzelhandel in den Innenstädten attraktiver zu machen. Die Corona-Pandemie hat das Kaufverhalten der Deutschen nochmals verändert. Um der Ansteckungsgefahr, der Masken- und Abstandspflicht zu entgehen, wurden noch mehr Waren online bestellt. Das wiederum hatte Folgen für die Shops in den Einkaufsstraßen. Diese klagen über teils massive Umsatzeinbrüche und mangelndes Interesse an ihren Aktionen. Doch noch ist nicht der Online-Boom die größte Gefahr für die Geschäfte in der Innenstädte. Es sind die Outlet-Center und Shopping-Malls im Nachbarort oder auf der grünen Wiese. Noch wäre also Zeit zum Handeln. Eine denkbare Vision ist die virtuelle Innenstadt.

Genügen attraktive Shoppingangebote noch?

Hier und da gibt es schon attraktive Shopping-Angebote wie Midnight Shopping, Sonntagsöffnungen oder vorweihnachtliches Event-Shopping. Manche Geschäfte, die in einer Straße liegen, haben sich schon vor Jahren zu einer aktionsfreudigen Werbe- und Einkaufsgemeinschaft zusammengeschlossen. Sie stellen beispielsweise zusammen die Weihnachtsbeleuchtung, organisieren alljährlich Töpfermärkte oder Umwelttage vor ihren Geschäften oder bieten regelmäßig Mitternachts-Shopping an. Der Wandel vom reinen Shoppingerlebnis zum Betreten einer Erlebniswelt wird in manchen Innenstädten schon umgesetzt. Die Erlebnisorientierung der Kundschaft ist gewachsen. Wo etwas los ist, sind meist viele Menschen anzutreffen.

Projekte wie das „City Lab Südwestfalen“ erarbeiten derzeit Visionen und Szenarien, um dem Innenstadtsterben etwas entgegenzusetzen. In der Holtenauer Straße in Kiel haben sich schon vor Jahren diverse Geschäfte zusammengeschlossen. Sie haben beispielsweise eien gemeinsame Finanzierung auf die Beine gestellt, um den Gehweg vor den Geschäften mit gläsernen Arkaden überdachen zu lassen. So trotzen die Geschäfte und Snackbars jeder Wetterlage. Die Holtenauer Straße-Arkaden gehören zu den beliebtesten Einkaufszonen Kiels. Überall auf Kiels attraktivster Einkaufsmeile sitzen Menschen beim Kaffee-Trinken oder Essen. Von mangelnder Kauflust kann hier keine Rede sein. Man trifft sich gern unter den Arkaden. Doch genügt das? Anderswo in Kiel ist zunehmend Leerstand zu erkennen.

Ein kleines innerstädtisches Shoppingcenter in der Kieler Holstenstraße fristet schon seit Jahren wegen konzeptueller Probleme ein Schattendasein. Es wird trotz mehrfacher Umgestaltung nicht angenommen. In der größten Einkaufsstraße wechseln die Filialisten schneller, als Konzepte zur Verhinderung solcher Abwanderungen entstehen. So ergeht es vermutlich auch anderen Städten.

Was ist eine virtuelle Innenstadt?

Auf dem Portal Intocities.com haben einige Städte bereits Rundum-Ansichten Ihrer Innenstädte eingestellt. Bisher sind es nur sehr wenige Städte. Aber das Beispiel könnte Schule machen. Solche Panorama-Ansichten punkten vor allem bei Touristen. Doch eine virtuelle Innenstadt könnte viel mehr sein, als hier aufgezeigt wird. Sie könnte nicht nur einen Panoramablick auf touristisch interessante Innenstadt-Hotspots bieten, sondern auch einen virtuellen Gang durch die Geschäfte ihrer Einkaufsstraßen. Hier müsste zugleich auch die Möglichkeit bestehen, online einzukaufen. Damit könnte der regionale Handel gestärkt werden.

Gibt man den Suchbegriff „virtuelle Innenstadt“ bei YouTube ein, finden sich diverse Videos. Kiel, Dortmund und Bremen bieten hier bereits virtuelle Stadtführungen an. Kiel widmet dieser ganze sieben Minuten, Dortmund handelt die Angelegenheit in wenigen Sekunden ab. Bremen überbietet beide Städte mit einem 26-Minuten-Video. Magdeburg, Stuttgart und Wien haben die Idee ebenfalls umgesetzt – meist mit Blick auf touristische Attraktionen. Quebec in Kanada widmet dem Innenstadt-Rundgang 56 Minuten.
Vancouver lockt Reisende mit einem Video von einer Stunde und 47 Minuten. Hier werden neben touristischen Hotspots auch wichtige Straßen der Innenstadt gefilmt. Auch der Hinweis auf angesagte Cafés, Restaurants, Galerien und Geschäfte fehlt nicht. Virtuell begehen kann man die im Vorbeigehen zu sehenden Geschäfte allerdings nicht. Der Kauf von Waren ist folglich nur direkt vor Ort möglich.

Als Alternative bleibt potenziellen Interessenten nur, bei Google nach den Geschäften zu suchen, die ihnen beim virtuellen Rundgang ins Auge gefallen sind. Lustvoll in diesen Läden shoppen zu gehen, ist nur nach längerer Suche möglich. Jeder Online-Shop von Kaufhäusern oder Einzelhandelsgeschäften in Vancouver müsste einzeln aufgesucht werden. Ähnlich ist es auch bei deutschen Städten.

Dem Ladensterben rechtzeitig entgegentreten

Die Grünen/Bündnis90 haben 2020 den Vorschlag gemacht, den Online-Handel stärker zu regulieren. Damit wollen sie dem Sterben der Innenstädte und den Gewinnmaximierungs-Strategien von Amazon und Co. entgegentreten. Diese Online-Riesen agieren unter Ausnutzung von massiven Steuerschlupflöchern zunehmend dominant. Ob die von den Grünen vorgeschlagene Maßnahme etwas nützen würde, ist jedoch fraglich. Vielmehr sollten die Kommunen sich für die Innenstadt-Geschäfte endlich etwas überlegen, um diese attraktiver zu machen. Die Landesregierungen und der Bund müssen Geld in die Hand nehmen. Sie müssten die Aufenthaltsqualität in Innenstädten verbessern. Es muss möglich sein, trotz Corona-Pandemie im Stadtgebiet sicher einzukaufen. Die Digitalisierung muss schneller gehen. Die Attraktivität von innerstädtischen Geschäfts-Webseiten könnte um einiges gesteigert werden. Als Vorbild dafür könnten die virtuellen Shopping-Paradiese wie Macy’s oder Harrods gelten.

Doch wer hat das Geld, um so attraktive virtuelle Rundgänge anzubieten? Während es für viele Kaufhäuser schon Online-Shops gibt, können kleine Geschäfte mit geringerer personeller Besetzung sich die intensive Pflege und Betreuung solcher aufwändigen Webseiten kaum leisten. Zudem besteht die Befürchtung, dass dann noch weniger Kunden in die Innenstädte streben. Was sollte jemanden in die Innenstadt locken, wenn er alles Mögliche auch online erleben und kaufen kann? Warum sollte er vor ort etwas anprobieren, wenn er eine Auswahlbestellung mit beiliegendem Retourenschein bestellen kann? Was benötigt wird, sind stimmige Entwicklungskonzepte, die für den gesamten Innenstadtbereich gelten. Die Digitalisierung der Innenstadtgeschäfte darf jedoch nicht der einzige Punkt sein, der demnächst Beachtung findet.

Städte wie Kiel oder Frankenberg haben gezeigt, dass die Innenstadt durch bauliche Baumaßnahmen und virtuelle Erschließung auch kleinerer Geschäfte attraktiver werden kann. Doch der Weg zur virtuellen Erkundung der Innenstadt inclusive Shoppingerlebnis ist noch lang. Schon seit langem beklagen viele Kunden die zunehmende Uniformität der Innenstädte. Diese weisen im Großen und Ganzen dieselben Ladengeschäfte, Franchise-Filialen und Schnellrestaurants bekannter Ketten auf. Daran sind auch die Vermieter nicht ganz unschuldig. Beispiel Kiel: Hier wurden in der Holtenauer Straße mehrere beliebte, individuell geführte Geschäfte mit so hohen Mieterhöhungen belastet, dass die Inhaber aufgaben. Stattdessen zogen zahlungskräftige Filialisten wie Tchibo oder Vodafone in die Geschäftsräume.

Das Beispiel dürfte auf viele Innenstadtbereiche und Einkaufsmeilen passen. Es mangelt den Innenstädten oft an Ambiente und Flair. Innenstadt-Geschäfte sind weitgehend austauschbar geworden. Es fehlt an Erlebnis- und Aufenthaltsqualität. Das muss sich zuerst ändern. Die virtuelle Innenstadt darf die Innenstadtgeschäfte nicht endgültig abhängen. Sie muss im Gegenteil einen Anreiz schaffen, diese zu besuchen.

Die Realisierung virtueller Innenstädte lässt auf sich warten

Als Videospiel gibt es virtuelle Innenstädte bereits. Mit dem „Virtual City Playgound“ wurde ein Spiel geschaffen, in dem jemand per Online-Simulation zum Macher einer ganzen Stadt werden kann. Vom Bau bis zur Verwaltung neuer Gebäude und Geschäfte üben sich Spieler darin, eine bereits bestehende Stadt boomen zu lassen und attraktiver zu machen. In der Realität ist das allerdings bedeutend schwieriger, zumal viele deutsche Städte überschuldet sind. Die Kosten der Corona-Pandemie haben die Lage noch erschwert. Trotzdem muss die Idee der virtuellen Innenstadt gerade jetzt vorangetrieben werden. Durch das Homeoffice sind immer mehr Menschen auf den Geschmack gekommen, ihre Büroarbeit vorrangig virtuell zu erledigen und online zu shoppen.

In virtuellen Innenstädten könnten die Menschen auch online etwas erleben. Vorrangiges Ziel muss aber sein, die Kunden wieder in die Innenstädte zu holen – zum Beispiel durch kostenlosen Nahverkehr oder Shopping-Shuttles. Baulich attraktive Innenstädte mit hoher Aufenthaltsqualität locken Einheimische und Touristen an. Straßenfeste und Töpfermärkte, vegane Cafés mit Außenplätzen und überdachte Outdoor-Restaurants können Kunden anziehen. Das Ambiente von innerstädtischen Einkaufsstraßen müsste aufgewertet werden: mehr Grünanlagen, mehr Erlebnisräume und Begegnungsstätten, mehr abendliche und am Wochenende stattfindende Events, weniger Autos.

Die Kunden könnten die Waren vor Ort mit Innenstadt-Bonus preiswerter erhalten, aber online bestellen. Das persönliche Abholen der bestellten Waren müsste belohnt werden. Standorten ohne eigenes Profil sagt mancher jetzt schon den baldigen Tod voraus. Dem Strukturwandel und den veränderten Kundenbedürfnissen nicht wirkungsvoll zu begegnen, bedeutet das Aus für viele Geschäfte in Innenstadtlage.

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